Felix Tobias Viegener

Felix Tobias Viegener, geboren am 9. Februar 1922 in Bilme, wuchs in einem kleinen Dorf nahe dem westfälischen Soest auf. Sein Vater war ein berühmter Kunstmaler und Querdenker in der damaligen politisch schweren Zeit und verheiratet mit Cecilia Brie. Ihr Vater, Siegried Brie, war Professor für Rechtswissenschaften und maßgeblich an der Verfassung von Teilen unseres heutigen Grundgesetzes beteiligt. Cecilia Brie kam aus jüdischem Hause. Dies war gefährlich für die Familie Viegener, so auch für Sohn Felix, der deshalb das Gymnasium verlassen musste. Fast alle Familienmitglieder verließen Deutschland, sobald es ihnen möglich war.
Die Militärzeit in Paris und Gefangenschaft bis 1947 in Belgien formten den jungen Felix. Es folgten Lehrjahre im Hotelfach bei der Firma Blatzheim in Köln. Innerlich hatte er aber stets den Drang, die weite Welt zu erleben.
Das Angebot, 1950 den “Deutschen Club” in Windhoek im früheren Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, zu übernehmen, kam für ihn wie gerufen. Seine spätere Verlobte und Frau Hildegard lernte er über eine Zeitungsanzeige kennen, zur damaligen Zeit eine sehr unübliche und fragwürdige Form des Datings. Sie folgte ihm nach Namibia.
Im “Deutschen Club” gingen Diamantenkönige aus Kapstadt ein und aus. Whisky und Kaviar auf der einen Seite, Armut und Sklaverei auf der anderen Seite waren allerdings für den Gerechtigkeitssinn von Felix zu viel. Er lernte Sam Nujoma (der sich damals Sammy Newman nannte) kennen, den Freiheitskämpfer der SWAPO und späteren Staatspräsidenten von Namibia. Zwischen den beiden entwickelte sich eine besondere Freundschaft.
Im Jahr 1960 wurde Sohn Nicolo geboren und Felix und seine Frau begannen ihr Leben neu zu ordnen. Nach 12 Jahren in Namibia verschlug es beide mit Hilfe der Dortmunder Brauerei nach Cloppenburg. Sie übernahmen dort ein Lokal neben der Post auf der Bahnhofstrasse. Das Lokal nannten sie “Briefkasten“. An Allerheiligen im gesegneten Jahr 1962 wurde es eröffnet. Schon nach kurzer Zeit wurden Felix und Hilde die Ersatzeltern für Schüler, Studenten, Sport und Musikgruppen wie für Kartenspieler. Der „Briefkasten“ wurde für viele, Jung und Alt, Schüler und Lehrer, Honoratioren und Halbintellektuelle, Trinker und Traumtänzer die zweite Heimat.
Im „Briefkasten“ war außerdem die Geburtsstunde des „Heiligabendeinläutens“. Der Name entstand einer Überlieferung zufolge dadurch, dass ein Stammgast am Heiligabend (24.12.1970) eine im Schankraum hängende Glocke betätigte und dabei verkündete, der Heiligabend sei damit nun eingeläutet. Dieses Ritual wurde fortan jedes Jahr wiederholt und lockte viele „Ehemalige“ aus allen Teilen des Landes immer wieder zur Weihnachtszeit in den „Briefkasten“. Die Tradition wurde immer größer und Menschentrauben bildeten sich vor dem hoffnungslos überfüllten “Briefkaten”. Dann blieb der berühmte Spruch von Felix nicht aus, „Was soll denn der ganze Quatsch“. Um das Fest im Hinblick auf die Familien daheim ein wenig zu „entschärfen“, entschließt man sich im Laufe der Jahre, die Aktivitäten auf den Abend des 23. Dezember vorzuverlegen. Die Tradition lebt noch heute fort – aufgrund der Menschenmengen allerdings nicht mehr im „Briefkasten“. Immer am 23. Dezember ist es so weit: Einige Tausend Menschen bevölkern die Kneipen, die Münsterlandhalle, den Weihnachtsmarkt und die Fußgängerzone, um einen Tag vor Christi Geburt richtig Party zu machen.
1980, das Jahr, in welchem Felix aus gesundheitlichen Gründen die Gaststätte aufgeben musste, war ein Schock für Cloppenburg. Er wechselte für einige Jahre an die Pforte des St. Josef Hospitals, um dort sein charismatisches “Kopf hoch und viel Glück mein Junge (oder Mädchen)” zu versprühen.
Unvergesslich bleiben die zahlreichen, teilweise ekstatischen Jazzabende und Musik-Events im Briefkasten. Unvergesslich bleibt sein Einsatz für Gemeinschaft und das Miteinander. Unvergessen bleiben Felix‘ Jahre als Pförtner im Krankenhaus St. Josef. Hier hatte er stets ein offenes Ohr für Patienten und Besucher.
Im Jahr 2000 wurde Felix Viegener vom Verband DEHOGA zum „Gastronom des Jahrhunderts“ ernannt. Fünf Tage später nach seiner Ehrung, am 18. Januar 2000, starb er an Herzversagen. Mit ihm ging ein halbes Jahrhundert große Cloppenburger Wirtshausgeschichte zu Ende.
Einige Jahre später erwirkte der Heimatverein eine weitere Ehrung. Der Weg zwischen dem ehemaligem Lokal und dem Postgebäude wurde zum “Felix-Viegener-Weg” ernannt. Eine verdiente Würdigung eines einzigartigen Bürgers der Stadt Cloppenburg.
Text: Familie Viegener. Bild: Archiv Klaus Deux